Ich will mich jetzt endlich einem weiteren großen Komplex widmen: Dem Werk und den Begriffen von Antonio Gramsci.
Denn dieser Theoretiker muss stärker verteidigt werden, gerade jetzt. Um ihn deutlicher nach links zu holen, in die freie Philosophie, in die Globalismuskritik. Egal wohin: Hauptsache weg von ganz Rechts.
Mir ist es beinahe lästig, für diese Verteidigung einer marxistischen Theorie schon wieder von Volker Weiß anzufangen. Aber der Historiker hat nun mal in seinem Buch „Die autoritäre Revolte“ auch in den Kreisen linker Politiktheorie Mangel erkannt. Vor allem, was die derzeitige Rezeption Antonio Gramscis angeht.
Denn der Begriff der kulturellen Hegemonie, den Gramsci quasi im Alleingang geprägt hat, ist in diversen Zirkeln neurechter Ideologie verbreitet und anerkannt. Er wird genutzt, um die eigene Agenda voranzutreiben und um Feindbilder zu kennzeichnen. Nur ein Beispiel: Der neurechte Theoretiker Erik Lehnert stellte zur Sommerakademie in Schnellroda, dem Sitz des Antaios Verlags von Götz Kubitschek 2016 den Punkt „Welchen Plan haben die USA von der Hegemonie?“ auf die Tagesordnung.
Das ist nicht nur grob verallgemeinert, sondern auch noch bedrohlich formuliert. Die Neue Rechte versucht häufig, der USA oder dem Liberalismus Machterweiterungsprojekte zuzuschreiben und sich so als eine extrem perfide Form von Widerstand gegen eine vereinnahmende Globalmacht zu inszenieren. Gramscis eigentlich der revolutionären Tätigkeit der aufbegehrenden Arbeiterklasse zugewiesener Begriff wird dafür verdreht und verquer instrumentalisiert.
Dem muss etwas entgegengehalten werden.
Gramsci war hier schon zweimal implizit Thema: In meinen Reflexionen über Chantal Mouffes „Über das Politische“ und der Besprechung von Alain Badious „Auf der Suche nach dem verlorenen Realen“, der Pier Paolo Pasolinis (großartiges) Gedicht „Gramscis Asche“ auf dessen Wirklichkeitsbegriff hin analysiert.
In beiden Artikeln habe ich angekündigt, mich stärker mit dem italienischen Marxismustheoretiker zu befassen. Dies soll heute seinen Anfang nehmen und in den nächsten zwei Tagen anhand zweier Bücher als eine Art erste Etappe konkretisiert werden.
Es handelt sich um zwei Bücher aus den letzten drei Jahren: Zum einen „Gramsci lesen“, einem Gramsci-Lesebuch aus dem Argument Verlag von 2015 und zum anderen um „Antonio Gramsci. Seine politischen Ideen“ von Wolfram Klein, frisch im Manifest Verlag erschienen (auch hier bestellbar), der erst vergangenen September gegründet wurde.
Sinn der Sache ist zweierlei.
Erstens: Gramsci lesen und lesend aufschließen. Dazu dient vor allem das Lesebuch, welches zu wichtigen Theorien und Begriffen Abschnitte aus seinem zehnbändigen Hauptwerk, den in der Haft durch die italienischen Faschisten verfassten Gefängnisheften, liefert. Wer sich für ein allgemeines Verständnis von Gramscis Position vor der Lektüre meiner ersten konkreten Beiträge interessiert, dem lege ich an dieser Stelle auch noch seinen Aufsatz „Sozialismus und Kultur“ von 1916 ans Herz.
Zweitens: Gramsci als vielseitigen und darum radikal kritischen und sich konstant fortentwickelnden Denker bestimmen und deshalb auch deutlich als ideologiekritisch verorten. Zeigen, wie links er war, was er wollte – aber auch wie seine Gedanken weder ganz mit dem Marxismus, noch, wie aus jenen Kreisen vorgehalten, mit neurechten, völkisch-nationalen Theorien vereinbar ist. Dabei soll mir neben Zitaten von Gramsci selbst am Freitag auch Wolfram Kleins Studie helfen.
Zusammengenommen ist das Ziel jenes aus der Überschrift: Gramsci verteidigen.
Gramsci verteidigen als einen leidenschaftlichen Denker, als einen oft auch pazifistischen Denker, als einen Denker der Gleichheit in der Ungleichheit. Als einen Denker, der Positionen wechseln konnte und musste, der auch körperlich gelitten hat. Der kontrovers war, aber sich nie als kontrovers inszenierte, um anderen schaden zu können, wie es neurechter Theoretiker in ihrer Rolle als Unverstandene und Opfer tun.
Neben den Büchern, die selbstverständlich den Ausgangspunkt meines Sprungs in die Theorie Gramscis sein sollen, habe ich bei ersten Recherche bereits einige weitere Texte, Linklisten und Projekte zu Gramsci entdeckt. Diese seien für eine erste Referenz noch abschließend aufgelistet, bevor morgen Gramsci dann selbst zu Wort kommen soll.
Auf YouTube gibt es außerdem noch die schottische Dokumentation „Everything that Concerns People“ von 1987 zu sehen:
Update, 14. April 2017: Alle bisherigen Artikel des Gramsci-Leseprojekts sind auch auf der Unterseite für Themenschwerpunkte zu finden.
[…] der gestrigen Einleitung geht es jetzt also los: Mein Engagement für eine verstärkte Auseinandersetzung mit Antonio […]
[…] etwa in den ersten zwei Gastbeiträgen – selbst. Auch die letzten drei Tage, die mit einer ersten Serie von Artikeln zu Antonio Gramsci einen neuen Fokus bestimmt haben, bescherten mir viele neue Leser, denen ich allen für Ihr […]
[…] der hier die letzte Woche dominiert hat, wird im Beitragsverlauf von Brooks auch aufgegriffen. Vor allem geht es ihm dann um Gramscis […]
[…] des Monats habe ich mein Leseprojekt „Gramsci verteidigen“ mit drei ersten Beiträgen gestartet. Heute und morgen geht es in die zweite Runde, welche dann am […]
[…] Gramscis, an den Kai Nonnenmacher hier erinnert – zum Abschluss der zweiten Etappe meines Leseprojekts über dieses historische Ereignis für die Geschichte sowohl des Kommunismus als auch der […]
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[…] einem Begriff mit einer marxistischer Tradition. Ein Begriff, dem Antonio Gramsci, einer der Stützpfeiler dieses Projekts, zur gleichen Zeit, in der Heidegger und Wittgenstein ihre wichtigsten Bücher publizierten, in […]