Der unabhängige Berliner Wolff Verlag publiziert seit 2008: Bücher vergessener Autoren, unbekanntere Werke großer Namen und ausgewählte Titel zeitgenössischer Autoren mit den Schwerpunkten Literatur, Kunst, Geschichte und Philosophie.
Was eine Verlagsarbeit für das öffentliche Leben bedeuten kann und ob eine persönliche politische Haltung des Verlegers mit all ihren Ausdrucksformen das Verlagsprogramm beeinflusst – darüber habe ich mich mit Verlagsgründer und -leiter Robert Eberhardt unterhalten.
Nachdem ich bereits vor rund vier Wochen mit „Nietzsche und die Metapher“ ein Buch aus dem Wolff Verlag hier besprochen habe, soll es also nun um das Unternehmen hinter dieser und anderen Publikationen – etwa einem kaleidoskopartigen Portrait des Schweizer Malers Anton Graff durch 28 Kunsthistoriker und Schriftsteller oder, für diesen Herbst geplant, den Frühschriften von Ezra Pound – gehen.
Durch den Geist von Robert Eberhardt, der das Verlagshaus vor nunmehr neun Jahren gegründet hat, weht zur Profilierung desselben ein hohes Maß an Idealismus, auch Pathos. Wie das mit der heutigen Gesellschaftssituation zusammengeht? Wie die richtigen Worte zur Verteidigung eines ambitionierten Projekts wie diesem Verlag und angeschlossenen Aktivitäten, etwa eines exklusiven Salons zur Diskussion politischer und künstlerischer Tätigkeit, gefunden werden? In seinen Antworten auf meine Fragen finden sich einige Positionierungen in dieser Gemengelage und erste Antwortversuche auf die Frage nach der richtigen Haltung dabei.
Einen tages- oder parteipolitischen Anspruch verfolgt der Wolff Verlag in keiner Weise; dies würde ich als ein kräftiges Scheitern meiner publizistischen Arbeit verstehen. Natürlich soll jedes Buch möglichst viel Aufmerksamkeit erfahren und die Autoren und Übersetzer für ihre Ideen, ihre Leidenschaft und Sprachfertigkeit ein Dank in Form von Lesern und Besprechungen erhalten. Die Bücher sollen die Gedanken (aber auch Herzen) weiten, neue Sichtschneisen schlagen und an scheinbar Festgefügtes Fragezeichen setzen, die Welt wieder mit mehr Poesie, mehr Schönheit sehen lassen…
Natürlich, die Mühen des Bücherschreibens, des Lektorats, des Buchdrucks, die ökonomisch im Grunde total widersinnige Bindung von Kapital in Papier, Faden und Leim können nur als ein Widerstand gegen die digitalen Kanäle und den rasenden Sturmlauf der Unterhaltungsindustrie gesehen werden. Im besten Falle ist das Verlagswesen auch ein Dienst an den Autoren der Vergangenheit, denen heute zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird, deren Büchern tausendmal mehr Leben und Aufrichtigkeit inne wohnt als den Texten manches Lieblings der Literaturindustrie. Ja, ein Verlagsprogramm sollte eine Strickleiter in die tiefen Brunnen der Vergangenheit sein, zu verschütteten Wahrheiten.
3. Sie betreiben mit dem „Jungen Salon“ auch eine nicht-öffentliche Veranstaltungsreihe mit einer begrenzten Anzahl von Mitgliedern, die sich aber dennoch als Ausdruck eines allgemeinen, zeitgenössischen, der Moderne in loser Weise verpflichteten Weltgefühls begreift. Sie hatten bereits kontroverse Gäste aus verschiedenen Bereichen und politischen Sphären zu Gast, so etwa Götz Kubitschek, ein Verleger, der mit Pegida und der AfD in Verbindung steht – aber auch eigenwillige Denker wie den mit allen politischen Richtungen im Zwist stehenden Rolf Hochhuth. Was für eine Art von Debatte und vielleicht auch kämpferischem Austausch streben Sie mit derartigen Verbindungen und Auseinandersetzungen an?
Ja, natürlich sind wir der Moderne anheim gefallen und das nicht „in loser Weise“, sondern knallhart, mit allen existentiellen Fragen und Ironien. Ziel des „Jungen Salons“, den ich zusammen mit dem Althistoriker und Journalisten Simon Strauß initiierte, war stets das offene Gespräch in einem Raum junger Menschen, die sich im besten Fall zu Anfang gar nicht kennen, eine Zusammenkunft von Neugierigen, die sich nicht gegenseitig beklatschen wie in der Jugendorganisation einer Partei, sondern die mit persönlichen Standpunkten und unverbrauchten Fragen noch überraschen können.
Wir wollten mit allen reden und hatten keine Berührungsängste. Götz Kubitschek war unser Gast, bevor er der ziegenmelkende rechte Shooting-Star der Presse wurde, um seine Standpunkte zu hören und zu verstehen, wo sein nationalistischer Reaktionismus wurzelt und wie er ihn vertritt. Und vor allem, um ihm persönlich zu begegnen, denn das Gedankengebäude eines Gastes wurde mitunter doch arg von seinem Auftritt, seiner (Un-)Fähigkeit des Mitteilens und Hinhörens unterlaufen. Er hat sich bei uns nicht wohlgefühlt, brach danach als einziger Gast unsere Regel der Privatheit und schilderte uns aus Enttäuschung als Delfine, die auf den Wellen des Zeitgeistes schwimmen und sich nicht seiner speziellen Idee einer konservativen Revolution anschließen werden. Ja, und Rolf Hochhuth sprach über seine Verehrung für Ernst Jünger, gar nicht polternd, sondern ruhig und ehrwürdig. Diesen hochbetagten Schriftsteller unweit des Brandenburger Tores so unaufgeregt über seine großen literarischen Idole sprechen zu hören, war sehr anrührend und wie alle Salon-Abende eindrücklich und memorabel. Wie er zum Beispiel als Buchhändlerlehrling im Frankfurter Hof Thomas Mann treffen sollte und aus Ehrfurcht davon rannte, als er nur Katia Mann erblickte. Weil so langsam alle verbürgerlichen und älter werden, Verlobungen und Kinder, wurde der Junge Salon in seiner alten Form Ende 2016 aufgelöst.
Na, aber natürlich! Was in den Geistern der Menschen vor sich geht, was als „News“ relevant ist, bestimmen natürlich die großen Distributoren, große Verlage und Medienkonzerne und ganz diffizile „Strömungen des Weltgeistes“. Als jemand, der die Publikationen der kleineren, unabhängigen Verlage intensiv verfolgt und dem die Fülle der wunderbaren Titel und hübschen Gestaltungen erfreut, überschätze ich sicherlich die Bedeutung der Publikationen dieser kleinen Häuser. Ein Blick in die Fußgängerzonen desillusioniert wohl jeden.
Wo sollte es denn sonst ein umfriedetes Zuhause haben, das „Wahre, Schöne, Gute“, wenn nicht im kleinen Zirkel, im Geheimen, wo das Schöne bewundert, verehrt und beschützt wird, durch ein paar empfindsame Seelen? In meiner Jugend war eigentlich alles außer Mode, für das ich mich interessierte, denn es ist ja so, dass weite Teile der Menschheitsgeschichte durch einen übermütigen Rationalismus und Fortschrittsglaube ad acta gelegt zu sein scheinen; ganze Kontinente des Empfindens sind abgesunken. Meine Schulzeit in Thüringen seit 1994 war natürlich stark rationalistisch geprägt, in den Geistern steckt ein in der Wurzel protestantischer, technischer, entsinnlichter Postkommunismus, eine seltsame Mischung aus Übermut, enger Heimatbindung und doch Heimatlosigkeit, dies alles ausgerichtet auf den schönen Gelderwerb als allbestimmendes Lebensziel. Man dachte, man lebe in der besten aller Zeiten. Dass nun alles ins Wanken gerät ist beängstigend, aber natürlich auch spannend; die Zeit stellt uns jungen Menschen Herausforderungen, von denen wir bisher nichts ahnten.

Das Programm des Wolff Verlags mit weiteren Informationen ist hier zu finden. In seinem Verlagshaus in Berlin betreibt Robert Eberhardt außerdem eine Kunstgalerie sowie das Restaurant Wolff & Eber. Darüber hinaus ist Eberhardt seit 2013 Vorsitzender der Gesellschaft Kulturerbe Thüringen e.V., die sich vor allem um die Sanierung und Geschichte des Rußwurmschen Herrenhauses kümmert.
[…] zum Schulterschluss gekommen – dabei endete das Zusammentreffen in wechselseitiger Ablehnung: „Wir wollten mit allen reden und hatten keine Berührungsängste. Götz Kubitschek war unser Gast, be….“ Persönlich möchte ich auch nicht mit Rechten reden, ich könnte das auch nicht. Persönlich […]
[…] zum Schulterschluss gekommen – dabei endete das Zusammentreffen in wechselseitiger Ablehnung: „Wir wollten mit allen reden und hatten keine Berührungsängste. Götz Kubitschek war unser Gast, be….“ Persönlich möchte ich auch nicht mit Rechten reden, ich könnte das auch nicht. Persönlich […]